akademisches wirtshaus Österreich – Ungarn oder das Ende von Mitteleuropa?

[b]Mitteleuropa[/b] Die Begriffe Österreich und Ungarn werden vorrangig mit der 1918 versunkenen Doppelmonarchie in Verbindung gebracht: Um 1870 entstand der Begriff im Kaiserreich als Alternative zu der in Deutschland und Österreich propagierten großdeutschen Lösung, die vorsah, alle Deutschen – und nur diese – in einem Staat zusammenzufassen. In Österreich lehnte man dies mehrheitlich ab, da dies eine Zerschlagung des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarns bedeutet hätte. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor der Begriff etwas an Bedeutung, da Europa nunmehr im Kalten Krieg in West- und Osteuropa geteilt war. Dementsprechend wurden die westlichen Staaten Mitteleuropas zu Westeuropa und die östlichen Staaten zu Osteuropa zugezählt. Diese Teilung verlief durch die Mitte Europas. Nach Ende des Kalten Krieges diente der Begriff nunmehr der Identitätsstiftung für die als \"osteuropäisch\" bezeichneten Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes, insbesondere Ungarn, Tschechien und die Slowakei. In diesem Akademischen Wirtshaus wird der Zustand der Demokratie in Ungarn beleuchtet, jener in Österreich gestreift, und untersucht, ob Mitteleuropa nur mehr eine inhaltsleere Metapher ist oder doch noch Substanz für die Zukunft erhalten kann. [b]Agnes Heller[/b] Ágnes Heller, die jüdischer Herkunft ist, gelang es, im Holocaust gemeinsam mit ihrer Mutter immer wieder, teils durch geistesgegenwärtiges Handeln, teils aber auch nur durch schieres Glück, einer Deportation und Ermordung zu entgehen. Ihr Vater und zahlreiche Verwandte wurden Opfer der Judenverfolgung während der Zeit der NS-Diktatur. Ágnes Heller studierte Philosophie an der Universität Budapest bei Georg Lukács und wurde 1955 seine Assistentin. Nach jahrzehntelanger politischer Unterdrückung in Ungarn emigrierte Heller 1977 nach Australien, wo sie an der \"La Trobe Universität\" in Melbourne von 1978 bis 1983 eine Soziologie-Professur inne hatte. 1986 wurde sie Hannah Arendts Nachfolgerin auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der \"New School for Social Research\" in New York. Politisch positioniert sie sich gegen die Politik des Fidesz und des Ministerpräsidenten Viktor Orbán. So äußerte sie sich in einem Interview für ZEIT Geschichte 2013: \"Orbán ist ein Diktator, aber Ungarn ist keine Diktatur\". In zahlreichen Büchern dreht sich Hellers Denken um Leben und Freiheit als die obersten Werte. Heller entfaltet eine ausführliche \"Theorie der Bedürfnisse\", mit der sie beispielsweise die \"Bedürfnisdiktatur\" im Ostblock kritisieren konnte. Die philosophische Anthropologie hat für sie ihren Ursprung in der Renaissance, die sich durch ein \"pluralistisches moralisches Wertsystem\" deutlich von früheren Zeitaltern unterscheidet. [b]Paul Lendvai [/b] Als Sohn jüdischer Eltern wurde er mit seinem Vater 1944 verschleppt. Dank eines Schweizer Schutzpasses überlebten sie in Budapest. Nach dem Krieg und einem anschließenden Jurastudium schrieb er als Journalist bei sozialdemokratischen Zeitungen im nunmehr kommunistisch regierten Ungarn. Lendvai wurde 1953 verhaftet und erhielt drei Jahre Berufsverbot. Im Zuge des Ungarn-Aufstandes floh er aus Ungarn über Prag und Warschau 1957 nach Wien. In Wien begann er zuerst als Übersetzer ungarischer Nachrichten und verfasste später eigene Artikel für \"Die Presse\" und die \"Neue Zürcher Zeitung\". Dies zum Schutz seiner Mutter, die in Budapest geblieben war, unter verschiedenen Pseudonymen. Er erhielt die österreichische Staatsbürgerschaft und war von 1960 bis 1987 Auslandskorrespondent für die Londoner \"Financial Times\" in Wien. Er gründete die Zeitschrift \"Europäische Rundschau\", wurde 1982 Leiter der Osteuropa-Redaktion des ORF und später Intendant von Radio Österreich International. Er ist politischer Kommentator der österreichischen Tageszeitung \"Der Standard\" sowie in ungarischen und englischsprachigen Medien. Von 1982 bis 1987 war Lendvai Leiter der Osteuropa-Redaktion des ORF. Heute ist er Leiter der Diskussionssendung \"Europastudio\". Als überzeugter Demokrat und Mitteleuropäer versuchte er, sowohl bei der Waldheim-Affäre als auch bei den Sanktionen der EU nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ durch Vorträge und Artikel seine neue Heimat Österreich objektiv zu beleuchten und gegen Pauschalurteile anzukämpfen. In zahlreichen Büchern findet sich ein Plädoyer für Freiheit und Demokratie. In seinem Buch \"Mein verspieltes Land\" wirft er dem konservativen Fidesz-Vorsitzenden und ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán autokratische Tendenzen vor. Er spricht von Ungarn als \"verführbare Nation\", die das Trianon-Trauma niemals überwinden konnte. Durch den Vertrag von Trianon verlor Ungarn einen Großteil seines Staatsgebietes und seiner Bevölkerung als Folge der Niederlage im Ersten Weltkrieg. [b]Gerfried Sperl [/b] In Oberzeiring geboren, studierte er Germanistik, Anglistik und Philosophie an der Universität Graz und an der Georgetown University in Washington D.C. An der Universität Graz trat er der Katholischen Hochschuljugend bei und engagierte sich in der Studentenvertretung. Er war von 1963 bis 1965 Vorsitzender der Studentenvertretung und gründete mit dem späteren Grazer Stadtrat Helmut Strobl die linksliberale Studentenfraktion \"Aktion\", die bis 1969 auch österreichweit auftrat. Von 1969 bis 1982 arbeitete er für die \"Kleine Zeitung\", danach wechselte er als Chefredakteur zur ÖVP-Zeitung Südost Tagespost, die durch ein Redaktionsstatut beschränkte Unabhängigkeit genoss. Nach deren Einstellung im Frühjahr 1987 ging er als stv. Chefredakteur zum \"Kurier\" nach Wien. In der gleichen Funktion gehörte er ab 1988 zur Stammredaktion von Oscar Bronners \"Der Standard\", deren Chefredakteur von 2002 bis 2007 war. Von 1978 bis 2008 gab Sperl mit dem Ökonomen Michael Steiner die Zeitschrift WAS heraus, die mehrere Jahre unter der Ädige der Walter Buchebner Gesellschaft erschien. freier Eintritt

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Mi / 11.10.2017
19.30 Uhr
kunsthaus muerz

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