[b]Lorenz Duftschmid – Viola da gamba Johannes Hämmerle – Cembalo[/b] Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) Drei Sonaten für Viola da gamba und obligates Cembalo / BWV 1027 – 1029 Sonate für Viola da gamba und obligates Cembalo / G-Dur, BWV 1027 Adagio Allegro ma non tanto Andante Allegro moderato Fantasie und Fuge für Cembalo, a-Moll, BWV 904 Sonate für Viola da gamba und obligates Cembalo / D-Dur, BWV 1028 Adagio Allegro Andante Allegro Prelude – Gayment für Viola da gamba / d-Moll, nach BWV 1011 Sonate für Viola da gamba und obligates Cembalo / g-Moll, BWV 1029 Vivace Adagio Allegro Die drei Sonaten für Viola da gamba und obligates Cembalo BWV 1027-1029 stellen keine Werkeinheit dar, sie sind in keiner Quelle als Zyklus überliefert. Wenn sie tatsächlich zwischen 1717 und 1723 in Köthen entstanden sind, verdanken sie ihre Entstehung vermutlich Fürst Leopolds Gambenspiel. (Die Stimmen der einzigen im Autograph erhaltenen Sonate G-Dur BWV 1027 dürften allerdings, wie Schriftzüge und Wasserzeichen andeuten, aus den 1740er Jahren und somit aus Bachs letzter Schaffensperiode stammen.) Mir persönlich scheint die Entstehung in Köthen wahrscheinlich, jene zeitliche und künstlerische Nähe zu den Brandenburgischen Konzerten, dem ersten Wohltemperierten Klavier, den Werkzyklen für solistisches Streichinstrument und den anderen Sonaten für ein Melodieinstrument und obligates Cembalo. Wie einige seiner Zeitgenossen bearbeitete Bach eigene Triosonaten mit Basso continuo zu Werken für ein Soloinstrument mit obligatem Cembalo, indem er auf die Realisierung des Generalbasses weitestgehend verzichtete und eine Oberstimme der rechten Hand des Cembalisten anvertraute. Bei der Sonate in G-Dur BWV 1027 lässt sich dieser Weg der Bearbeitung von der Urfassung für zwei Traversflöten und Basso continuo in feinsten Klangdetails nachvollziehen. Dass auch die beiden anderen Sonaten (sie liegen in Kopien aus der Hand des Christian Friedrich Penzel von 1753 vor) auf Gerneralbass-begleitete Trios zurückgehen, oder zumindest dieses Stadium auf ihrem Weg vom Konzert zur "Gambensonate" passiert haben dürften, hat Anlass zu wilden Spekulationen gegeben (Konzert für zwei Flöten, 3 Celli, "7. Brandenburgisches Konzert" … ), worauf ich hier nicht näher eingehen möchte. Viel interessanter ist eine Betrachtung dieser großen Werke im musikalischen Kontext ihres näheren Umfeldes – Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach. Die drei Sonaten BWV 1027 – 1029 sind in ihrer großen Unterschiedlichkeit vom Komponisten nie für diese Reihenfolge bestimmt gewesen, im Laufe der Zeit bürgerte sich diese als vom tonartlichen Standpunkt her sinnvoll ein. Die Sonate G-Dur beginnt in 12/8 pastoral durch einen anfangs sehr langsam fortschreitenden harmonischen Ablauf. Die Harmonik verdichtet sich gegen Ende jedes architektonischen Teils zunehmend. Der Satz endet eigentlich vier Takte vor Schluss mit einer großen Kadenz in der Tonika, eine frei thematische Modulation auf chromatisch absteigendem Bass führt zum Halbschluss auf der Dominate D-Dur. Der zweite Satz ist von Bach sehr präzise mit Artikulationszeichen versehen und spielt mit Thema und -umkehrung und sogar einer reichlich dissonierenden Engführung wenige Takte vor Schluss. Der dritte Satz ist der experimentellste, indem er weitgehend auf Melodie verzichtet und immer spannendere dissonierende Akkordzerlegungen aneinanderreiht. Das geht bis zum Extrem, als die Gambe nach der erwarteten Schlusskadenz im Satz beherrschenden e-Moll das mittlere e vier Takte lang als Bordunton aus einer fremden Welt durchhält. Interessant auch, dass Bach bei den schnellen Sätzen der Gambenfassung im Vergleich zur Flötenversion die verlangsamenden Präzisierungen Allegro ma non tanto bzw. Allegro moderato hinzufügt. Die Sonate D-Dur BWV 1028 ist die positivste, strahlendste, die sich besonders im vierten Satz auch gerne in virtuosen Spielereien ergeht. Der erste Satz, kurz gehalten, der Bass fast durchgehend in Achteln schreitend, kurze Umkehrung des Themas, in den letzten drei Takten nach der Tonikakadenz Wanderung zur Dominante des Halbschlusses; attacca entzündet sich ein gut gelauntes Synkopenspiel der Oberstimmen, das vom Bass mit einer kleinen Kaskade beantwortet wird. Wie um zu zeigen, wohin soviel Übermut führt, schaltet Bach jeweils vier Takte vor dem Ende eines jeden Teiles unvermutet nach Moll. Im dritten Satz tut sich plötzlich eine ganz andere Welt auf: h-Moll in der D-Dur Sonate, viele kleine notierte Verzierungen, lange Melodiebögen: hier befinden wir uns im Umfeld des Gambensolos der Johannes – Passion (Es ist vollbracht: h-Moll, Der Held aus Juda siegt mit Macht: D- Dur). Sehr lange 12/8 Takte und noch längere Phrasen und Dissonanzen, die sich sehr spät auflösen, erzeugen eine Atmosphäre, die an Spannung wohl kaum zu überbieten ist. Vier mal klagt die Quarte des Themas in der Grundtonart h-Moll an, bevor sich die ganze Melancholie in den virtuosen Tiraden des vierten Satzes nun umso mehr entlädt. Johann Sebastian Bach setzt die Viola da gamba üblicherweise in seinen Kantaten und Passionen aus klanglichen – ja geradezu symbolischen Gründen ein. Wir finden sie bei Themen wie Trauer und der mystischen Überwindung des Todes. Bach besetzt wie auch Telemann, Buxtehude, Geist und viele andere Komponisten seines Umfeldes dies tun, Stücke wie "Es ist vollbracht" oder "Komm süßes Kreuz" aus den Passionen BWV 245, 244 bzw. Actus Tragicus BWV 106 und "Lass Fürstin, lass noch einen Strahl" BWV 198 mit einer oder zwei Gamben. Bis auf "Komm süßes Kreuz", das in seiner Art den Franzosen um Antoine Forqueray sehr nahe steht, sind alle diese Werke weitgehend im einstimmigen "Jeu de melodie" gehalten. Das könnte damit im Zusammenhang stehen, dass der deutsche Gambenbau stärker gebaute Instrumente hervorbrachte, deren Ideal eher Größe als feine Resonanz des Klangs war. Interessant in diesem Zusammenhang auch, dass von den drei Gambensonaten seines Sohnes Carl Philipp Emanuel nur ein einziger Satz (das fulminante Allegro di molto der zweiten Sonate in D-Dur) Akkorde bringt und es sich sogar hier eher um Klangverstärkung als um echtes "Jeu d´harmonie" handelt. Fest steht jedenfalls, dass Johann Sebastian Bachs Sonaten für Viola da gamba und obligates Cembalo in einer Zeit eifrigen Forschens im Bereich des Klanges entstanden. Es sollte nicht mehr lange dauern, dass das Baryton Einzug hielt in die Salons der feinen Gesellschaft. Jenes Instrument, das die Vorzüge der Gambe – Resonanz und improvisierende Klangbäder durch seine Resonanzsaiten noch konsequenter in sich vereint. Præludium und Gayment für Viola da gamba alleine hat Lorenz Duftschmid aus den beiden eröffnenden Sätzen der sogenannten fünften Cellosuite BWV 1011 bearbeitet, und dabei eventuell sogar die Urfassung rekonstruiert. Heute liegen von dieser Suite zwei Fassungen vor, die beide nicht von Johann Sebastian Bachs eigener Hand stammen: die erwähnte Version für Violoncello in c-Moll in einer Handschrift Anna Magdalena Bachs und eine Version in der Hand eines anonymen Zeitgenossen Bachs für Barocklaute in g-Moll. In der Fassung für Violoncello sind die beiden oberen Saiten des Instruments in einer Quart d-g einzustimmen, was schon darauf hindeuten könnte, dass die Urfassung für ein Instrument mit Quartenstimmung gedacht war und der geniale "Arrangeur" eigener Werke Bach aus klanglichen Gründen und Gründen der Spielbarkeit diese Reminiszenz beibehielt. In der Version für Laute macht sich das Fehlen echter Polyphonie bemerkbar, an deren Stelle der – für Streicher so typische – "Stile brisée" (gebrochener Stil, Scheinpolyphonie) tritt. Was lag also näher als die These einer Urfassung für ein Instrument, das die Vorzüge der Laute und des Streichinstrumentes in sich vereint? Die Tonart d-Moll der in D gestimmten Viola da gamba war schnell gefunden und im Laufe der Jahre, in denen der Interpret dieses Werk im Konzert präsentiere, scheint sich die Vermutung zu bestäigen, dass diese Version, wenn sie vielleicht auch nicht die wirkliche Urfassung ist, doch sehr gut funktioniert und der ursprünglichen Intention des Komponisten sehr nahe kommen dürfte. Die Satzbezeichnung "Gayment" des schnellen Teils, die sich nur in der Lautenversion findet, wurde für die Fassung für Viola da gamba übernommen, könnte sie doch noch von der Urform stammen. Die Sonate g-Moll BWV 1029 steht schon durch ihre dreigeteilte Satzordnung in der Nähe der Brandenburgischen Konzerte. Auch andere Details sprechen für ein Konzert als Urform dieses Werkes: Tutti- und Soloabschnitte sind deutlich erkennbar, wobei sich beide Instrumente einzig in dieser Sonate häufig zum Thema im Unisono vereinen. "Cantabile"-Abschnitte über Dreiklangsketten finden sich ebenso in Bachs Instrumentalkonzerten wie die Vorliebe für den Auftakt im Metrum des Anapäst. Der mittlere Satz im parallelen B-Dur ist am "modernsten" und bezaubert mit unglaublicher Leichtigkeit seiner langer cantabler Phrasen im kontrapunktischen Stil. Somit kreuzen sich in den drei Sonaten für Viola da gamba und obligates Cembalo von Johann Sebastian Bach mehrere Linien: Die Gambe, für Jahrhunderte das Paradeinstrument der Res publica des Consorts, trifft auf das Cembalo, um gemeinsam ursprünglich wesentlich größer besetzte Stücke zu musizieren. Dabei werden die "Begleiter" selbst zu den Solisten. Es stellt sich musikalische Konversation ein, die sich auf weit gefächerte Themenkreise bezieht von tiefster Kontemplation bis ausgelassener Spielfreude. Einzelkarten Euro 24.- / 14.- Einzelabonnement Euro 72.- / 42.- Partnerabonnement (für zwei Personen) Euro 122.-