1911 unternahm Le Corbusier eine sechsmonatige Reise in den Orient, eine reversed Grand Tour. Diese Voyage d’Orient, im französischen Originaltitel, oder Journey to the East, in der englischen Übersetzung, wurde für sein weiteres Werk eine entscheidende Erfahrung. Die Bildungsreise aus dem Norden in den Süden zu den Stätten der klassischen Antike war seit dem 17. Jahrhundert ein bewährtes Modell. Charles Edouard Jeanneret, der in den 1920ern den Namen Le Corbusier annahm, wählte eine andere Grand Tour. Von Berlin aus führte seine Reise über Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest nach Istanbul, Athen, Pompej, Neapel, Rom, Florenz und schließlich zurück in seine Heimat, die Schweiz, nach La-Chaux de Fonds. Diese Reise dokumentierte er mit Skizzen, Texten, Photographien, sammelte Postkarten. Erst knapp vor seinem Tod, 1965, bereitete er seine ersten Texte, die während der Reise entstanden waren, für eine Veröffentlichung als Buch vor. 2011 verwendeten die Kuratorin Elke Krasny und der Fotograf David Bergé die Städte, Athen, Belgrad, Istanbul, Rom und Wien, die Teil dieser historischen Reiseroute von 1911 sind, als Ausgangspunkte für urbanistische Recherchen. Le Corbusier folgte auf seiner Reise den Informationen des Standardreiseführers Baedeker sowie den Beschreibungen französischer Orientalisten. Krasny und Bergé folgten den Hinweisen lokaler ExpertInnen in den ausgewählten Städten. Jede der fünf ausgewählten Städte steht für eine bestimmte Form des zeitgenössischen Urbanismus: Athen für Archäologie und Krise, Belgrad für Postsozialismus und Neoliberalismus, Istanbul für Globalisierung und Informalität, Rom für die ewige Stadt zwischen Massentourismus und Gentrifizierung, Wien für Multiethnizität und die Neudefinition wohlfahrtsstaatlichen Städtebaus. Gespräche mit ArchitektInnen, KünstlerInnen, ForscherInnen, AktivistInnen und Intellektuellen in Athen, Belgrad, Istanbul, Rom und Wien über die Eigenschaften dieser Städte, über ihre Architektur und Monumente sowie die Begriffe Orient und Osten bilden die Grundlage der Ausstellung. Die Verschiebung zwischen Orient und Osten, die sich in der Übersetzung Voyage d’Orient in Journey to the East ereignete, liefert 2011 den Anlass, diese beiden Begriffe kritisch in ihren widersprüchlichen Bedeutungen zu untersuchen. Die Vielstimmigkeit von Stadt ist der Ausgangspunkt für die Textinstallation von Elke Krasny. Aussagen aus den Gesprächen sind als polyperspektivische Erzählungen von Stadt komponiert. David Bergé folgte mit seinen Fotografien den Narrationen und zeigt heutige Urbanismen in ihren Differenzen und Ähnlichkeiten. Die technische Einrichtung der Slideshow ist von Hannes Gellner. Die grafische Gestaltung der Ausstellung stammt von Alexander Schuh, Interventionen in den Raum von Nanna Neudeck und Titusz Tarnai sowie Alexandros Maganiotis. Dank an alle GesprächspartnerInnen in Athen, Belgrad, Istanbul, Rom und Wien Athen: Phoebe Giannisi (Architektin, Dichterin, Kuratorin, lehrt an der Universität von Thessalien), Zissis Kotionis (Architekt, Kurator, Professor an der Universität von Thessalien), Iris Lykourioti (Architektin), Alexandros Maganiotis (Architekt und Künstler), Georgios Mostratos (Archäologe), Panayotis Tournikiotis (Architekt, Professor für Architekturtheorie an der Universität Athen), Christina Vasileiou (Tänzerin) Belgrad: Dragan Protic (Künstler und Kurator, Teil von Škart), Zoran Erić (Kurator am Zentrum für Visuelle Kultur des Museums für Zeitgenössische Kunst in Belgrad), Dušica Parezanović und Nebojša Milikić (Kulturzentrum Cinema REX), Milena Dragićević Šešić (Autorin, Leiterin des UNESCO Chair Interkulturalismus, Kunstmanagement und Mediation, Professorin an der Universität der Künste Belgrad), Milena Putnik (Künstlerin), Mia David (Direktorin des Kulturzentrums Belgrad), Boba Mirjana Stojadinović (Künstlerin), Dijana Milošević (Gründerin und künstlerische Leiterin des DAH Theaters Belgrad), Ana Dubljević (Choreographin), Dragan Živković (Architekturhistoriker, Professor an der Akademie der bildenden Künste Belgrad),Veronika Isabel Spalajkovic Vegas (Künstlerin), Lenka Zelenović (Aktivistin), Milica Ivić (Künstlerin), Jovana Lutovac (Köchin), Jovana Rakić (Tänzerin), Milica Ilić (Kulturmanagerin) Istanbul: Aykut Köksal (Architekturhistoriker, Architekturfakultät der Mimar Sinan Unviversität), Didem Daniş (Soziologin, Galatassaray Universität), Cynthia Madansky (Filmemacherin), Irmak Kantar (Kunststudentin), Ece Pazarbaşi (Kuratorin), Michel Quéré (Kulturmanager), Meriç Öner (Kuratorin, Associate Director of Research and Programs SALT), Jean-François Perouse (Ethnologe, Direktor des Institut Français d’Études Anatoliennes, Galatassaray Universität), Idil Kemer (Tänzerin, Yogalehrerin), Nafiz Aksehirlioglu (Kurator und Antropologe), Pelin Derviş (Architektin, freie Kuratorin und Herausgeberin), Tulay Atak (Architekturhistorikerin, Rhode Island School of Design) Rom: Antonello Alici (Architekturhistoriker, Assistant Professor an der Università Politecnica delle Marche, Ancona), Francesco Garofalo (Architekt, Kurator, Professor an der Architekturfakultät der Universität in Pescara), Pippo Ciorra (Senior Curator of Architecture MAXXI, Professor für Design und Theorie an der Architekturfakultät Ascoli Picenco Universität von Camerino), Luca Lo Pinto (Kurator, Herausgeber Nero Magazin), Marida Talamona (Architekturhistorikerin, Kuratorin, Professorin an der Università degli Studi Roma Tre), Antonella Perin (Architektin) Wien: Daniel Aschwanden (Performer und Choreograph), Carla Bobadilla (Künstlerin), Hermann Czech (Architekt), Antonia Dika (Architektin), Jack Hauser (Künstler), Sabina Holzer (Tanzperformerin), Sushila Mesquita (arbeitet in queer-feministischen, antirassistischen und popkulturellen Projekten, Referat Gender- forschung der Universität Wien), Sandra Noeth (Dramaturgin, Tanzquartier Wien), Luisa Piart (Praedoc Research Assistant am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien) Hansel Sato (Künstler), Angelika Schnell (Architekturhistorikerin und Architekturtheoretikerin, Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien), Anna Soucek (Kulturjournalistin und Kuratorin) Ausstellungsdauer: 24. 11. 2012 bis 27. 01. 2013 Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag 10:00 – 18:00 Uhr, Sonntag 10:00 – 16:00 Uhr, für Gruppen auch nach Vereinbarung Eintritt: 4.- / Studierende bis zum vollendeten 27. Lebensjahr 3.-, unter 19 Jahren ist der Eintritt frei.