Max Peintner ZEICHENSPRACHE

Peintners Arbeiten aus den 70er Jahren zeigen großformatige, futurologische Visionen, in superrealistischer Manier penibelst dargestellte Szenarien irrealer Panoramen, welche die Welt des Cyberspace und der vollmediatisierten Umgebung vorwegnehmen. Aus dieser Einsicht in die technische Explosion einer apparategestützten Zivilisation entwickelte er, wiederum avant la lettre, eine ökologische Kritik der Gesellschaft. Seine phantastischen Welten haben daher in der Folge die Umwelt- und Naturzerstörung zum Thema. Hat er zuerst die technischen Träume der Menschheit gezeichnet, so nun deren Alpträume. Ab 1976 wendete er sich von den zivilisationskritischen Sujets ab und widmete sich – ausgehend von den Forschungen Machs und in der Tradition von Berkeley (esse est percipi) – der Verbildlichung von Seherfahrungen des Subjekts bzw. der Veranschaulichung des Unanschaulichen oder schwieriger Anschauungsprobleme wie etwa des eigenen Pulsschlags. Die Beobachtung der Welt führte zu einer Beobachtung der Medien. Die Kritik an der Medienwelt und der apparativen Wahrnehmung führte zum Studium der natürlichen Wahrnehmungsmechanismen am Sehenden selbst. Die Eigenwahrnehmung und die Weltwahrnehmung überlagerten sich. Seit den 80er Jahren ist eines seiner wesentlichen Themen die kognitive Wende in der Wahrnehmungstheorie. Für ihn ist die gezeichnete Selbstwahrnehmung ein angemessenes Ausdrucksmittel zur Darstellung der wahrgenommenen Umwelt, wie sie im Kopf entsteht. Seine Kunst gilt dem Versuch, analytisch die Gefühle und Sensationen des Ichs in Form einer Abbildfunktion dieses Ichs zu zeigen. Der vermeintliche Eigentümer des Gehirns (und des Körpers) ist eine Fiktion eben dieses Gehirns und Körpers, die sich offensichtlich bewährt. Die Wahrnehmung ist nicht der Sehschlitz in das Gefängnis aus Raum und Zeit, auch nicht dessen Wärter, sondern das Gefängnis selbst; der Pilot reist mit als blinder Passagier. Peter Weibel Die Reise hat mich inzwischen unter anderem zu Caspar David Friedrich geführt, mit dessen Werk ich mich dann acht Jahre auseinandergesetzt habe, und – ohne daß sich das bereits in Zeichnungen niedergeschlagen hätte – zu Paul Feyerabend und der Illias. Die Zeichen der Schrift sind aus Fragmenten der sichtbaren Realität destilliert, doch daß ein Bild mehr sagt als hundert Worte, stimmt trotzdem nicht so ohne weiteres. Die Schwierigkeit liegt darin, das Bild überhaupt zum Sprechen zu bringen, und zwar als Ganzes, mit den Worten verstellt wie es ist. Dem amerikanischen Psychologen Julian Jaynes zufolge hat die rechte Gehirnhälfte durch Jahrtausende als \"Entscheidungshilfe\" in Krisensituationen Halluzinationen generiert, vorwiegend akustische, die für die Stimmen der Götter gehalten wurden und in Wahrheit bloß verinnerlichte Befehle der Mächtigen waren. Ich würde mir wünschen, daß der Kopf statt gezielter Unwirklichkeit verstärkte, gesteigerte Wirklichkeit erzeugt, jenes erstrebte Leben, das im Normalfall immer gerade um ein weniges außer Reichweite bleibt, daß es zum Verzweifeln ist. Das Bild müßte durch Rückbindung an ein Geflecht aller nur verfügbaren Sinneserfahrungen selbst zum Zeichen werden und mit anderen Bildern in Wechselwirkung treten. Die westliche Kultur ist der zwar kühne, aber zum Scheitern verurteilte Versuch, Sprache das zusammenfügen zu lassen, was sie selbst getrennt hat. Zum menschengemachten Bild hat sie ein verkrampftes, mit schlechtem Gewissen befrachtetes Verhältnis. Dem Anschein entgegen enthält unsere Kultur das Bild nicht mehr; sie bedient sich seiner nur, damit es ihr, gewissermaßen auf eigene Verantwortung, Verantwortung abnimmt und uns die Worte widerlegt. Max Peintner [b]Dauer der Ausstellung: bis 22. September 2013 Öffnungszeiten: Donnerstag – Samstag: 10 – 18 Uhr, Sonntag: 10 – 16 Uhr freier eintritt[/b]

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Sa / 22.06.2013  - So / 22.09.2013
kunsthaus muerz / walter buchebner saal