Kammerorchester Leopoldinum Breslau / tanzatelier wien / Andreas Schablas, Klarinette / Ernst Kovacic, Dirigent Karl-Heinz Stockhausen Tierkreis für Kammerochester Friedrich Cerha Klarinettenkonzert 2008 (Uraufführung) Josef Matthias Hauer Zwölftonspiel für Streicher Igor Strawinsky Apollon Musagète Karlheinz Stockhausen (1928-2007) hat die Musik und deren Geschichte im 20. Jahrhundert mitgeprägt. Er war, mit Nono und Boulez, gestaltende Persönlichkeit bei den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik und stets an vorderster Front musikalischer Entwicklungen. Zunächst bei der Ausformung serieller Musik, die er kaum einmal kompositionstechnisch orthodox durchexerzierte. 27-jährig schrieb er die "Gruppen" für 3 Orchester, ein nicht verblassender Geniestreich sozusagen. Von Anfang an war elektronische Musik auch seine Sache, der "Gesang der Jünglinge" (1955/56) hat bis dato keinerlei Staub angesetzt, "Mantra" (1970) markiert den Beginn der Live-Elektronik. Er durchforschte die Musik-Wort-Beziehungen, griff sofort die Anregungen und die Ästhetik von John Cage auf, fand einen eigenen Weg zum Zufall und zur undeterminierten und intuitiven Musik bis hin zu nur verbalen "Partituren" ("Aus den sieben Tagen", 1968) und blieb seiner spirituellen, von kosmischen Ideen erfüllten Haltung zeitlebens treu (zum Beispiel die kontemplative "Stimmung", 1968, oder "Sirius", 1977). Ein Viertel Jahrhundert arbeitete er an seinem Opus summum: der siebenteilige Musiktheaterzyklus "Licht" (1977-2002), ein Gesamtkunstwerk abseits von Wagner. Kurz vor seinem Lebensende fand er zu einer sehr intimen, zarten Musik. Tierkreis, 12 Melodien der Sternzeichen, entstand 1975-76, nach der im Traum geborenen "Musik im Bauch" und der Beschäftigung mit den Besonderheiten von Spieluhren-Musik. Die Melodien folgen deren Gegebenheiten. Außerdem sind in die Gestaltung dieser Melodien die zwölf menschlichen Charaktere ihrem Sternzeichen entsprechend eingeflossen, geordnet von Januar bis Dezember. Jede dieser Melodien steht in ihren Maßen und Proportionen im Einklang mit den von Stockhausen studierten, von den Sternzeichen abhängigen Charakterzügen. – Das Werk kann in variabler Besetzung gespielt werden: für ein beliebiges Melodie- und/oder Akkordinstrument, für Vokalstimmen mit Instrumenten oder Akkordinstrument, und für Kammerorchester. Friedrich Cerha, 1926 in Wien geboren, Doyen der österreichischen Komponisten, bedarf eigentlich keiner biographischen Präsentation. Man sollte ihn kennen. Er zählt international zu den prominentesten Komponisten (auch wenn das manche ignorieren). Bezogen auf sein Jahrgangs-Umfeld, steht er in einer Reihe mit Ligeti, Boulez, Stockhausen, Berio und Kurtág. Verdientermaßen wurden ihm die angesehensten Ehrungen und Auszeichnungen zuteil. Auch als Dirigent hat er sich überregional einen Namen gemacht – kein Show-Dirigent, sondern einer, der das Innere der Musik, ihre Strukturen und agogischen Werte, profund kennt und demgemäß vermittelt. Mit Schwertsik gründete Cerha 1958 "die reihe". Mit dem Klangforum Wien, dessen Präsident er ist, erarbeitete er die authentische Interpretation der Werke Anton Weberns. Ein fürwahr epochales Hauptwerk ist sein siebenteiliger "Spiegel"-Zyklus, nachhaltiges Vorbild für viele Klangflächenkompositionen mit Massenstrukturen. Andere Hauptwerke sind das Musiktheater "Netzwerk" (1962-67,UA der Endfassung 1981 in Wien) sowie die Opern Baal (1974-80, UA 1981 Salzburger Festspiele), "Der Rattenfänger" (UA 1987 Graz, steirischer herbst) und "Der Riese vom Steinfeld" (1997-99, UA 2002 Wiener Staatsoper). Nicht übersehen sei die Fertigstellung des dritten Aktes der Oper "Lulu" (1962-78) von Alban Berg. Derzeit ist Cerha, dessen Imagination unvermindert sprudelt, vermutlich etwa beim Opus 140 angelangt. Das Klarinettenkonzert entstand 2008. Wiederholt wandte sich Cerha der Gattung Instrumentalkonzert zu, wobei sich bei der Wahl der Soloparts Vorlieben für bestimmte Instrumente abzeichnen. In den Jahren zwischen 1951 und 1996 entstanden Konzerte für Klavier, Violine, Bratsche und Violoncello, außerdem Doppelkonzerte für Violine und Violoncello sowie für Flöte und Fagott. In seinen Spätwerken ab 2002 interessierten ihn einerseits Instrumentalkonzerte für Violine, Saxophon und Schlagwerk, andererseits spielte die Klarinette, eines seiner Lieblingsinstrumente, auf dem Gebiet der Kammermusik eine vorrangige Rolle. Das zeigt sich unter anderem im "Klarinettenquintett", dessen Klarinettenpart 2008 in Salzburg von Andreas Schablas interpretiert wurde. "Sehr schön", sagt Cerha, und das hatte Nachwirkungen: "In der darauf folgenden Nacht träumte ich, dass ich an einem Klarinettenkonzert schreibe – und schließlich ist aus dem Traum Realität geworden". – Heute hören wir die Uraufführung. Das Konzert ist viersätzig. Den 1. Satz, Ouverture, leitet ein "entschieden abwärts strebendes Thema ein. Zwei eigensinnige, dem Orchester gegenüber obstruktive Motive bilden den Mittelteil" (Cerha). – Attacca folgt der 2. Satz, ein heiteres Capriccio, "leichtfüßig dahinhuschend". In der Mitte allerdings erscheint ein "auftrumpfendes Thema, mit dem – bei mir ganz selten – kontrapunktisch höchst kunstvoll gespielt wird." – Der umfangreichste langsame 3. Satz, dem Charakter nach streng und ernst, ist formal sehr komplex. Dreimal wird ein Lied aus dem "Buch von der Minne"(1946-64) stark variiert zitiert. – Der 4. Satz, Finale, enthält zunächst Materialien der Ouverture, auch die zwei eigensinnigen Motive tauchen wieder auf. Sodann stören mehrfach Fortissimo-Floskeln eine "blasse, unentschiedene Bewegung". Die Kadenz für die Klarinette hinterfragt die beiden Ouverturen-Motive. Die Musik greift nun das Scherzando des Capriccio auf und findet darin "einen eigenwilligen Schluss". Josef Matthias Hauer (1883-1959) schrieb 1919 seine erste "Zwölfton"-Komposition, Schönberg publizierte seine erste 1923. Wer wirklich als erster an die Realisierung eines Kompositionssystems dachte, das die Prinzipien der funktionellen Harmonik und der daraus resultierenden Tonalität durch völlig andere kompositorische Verfahren außer Kraft setzte, ist nicht eruierbar und im Prinzip belanglos. Denn die Systeme, nach denen beide komponierten, sind grundverschieden. Übrigens sind sie nicht die einzigen. Die Freisetzung der Tonalitätsfreiheit lag sozusagen als historischer Zwang in der Luft. Beispielsweise postulierte Nikolai Obuchow schon 1914 die Gleichberechtigung der zwölf Töne. – Hauer, der weit über 500 Werke hinterließ, schrieb zunächst tonalitätsfrei, danach bis etwa 1940 zwölftönig und erst anschließend die "Zwölftonspiele", deren strenge Regeln nur begrenzte Lösungen zulassen. Im Gegensatz zu Schönbergs auf Entwicklung und Ausdruck ausgerichtete sowie alle Parameter variabel einschließende Zwölftontechnik ist Hauers Musik esoterisch, ein in sich geschlossener, nicht weiterführbarer Kosmos. Sein Denken orientiert sich vor allem an der taoistischen Philosophie. Im Zentrum seines Weltbildes steht die "absolute Musik", sich spiegelnd im "Zwölftonspiel", das oft mit Hermann Hesses "Glasperlenspiel" (1943) in Verbindung gebracht wird. Zwölftonspiel für Streicher. – Hauer schrieb einige hundert Zwölftonspiele unterschiedlicher, meist kammermusikalischer oder solistischer Besetzung, die späteren nur durch Datum gekennzeichnet. In diesen Spielen ersetzen die "Tropen", die das zwölftönige Melos bilden, die Tonarten, und definieren die Töne, Intervallverhältnisse und Klänge. Zwei Hexachorde teilen den Zwölftonraum. Die Reihen werden in einen vierstimmigen Satz zerlegt und durch Permutationen quasi kontrapunktisch verarbeitet. Ausschlaggebend ist die Harmonik und deren Abfolge, alles andere wie Phrasierung, dynamische und rhythmische Differenzierung, ist nebensächlich, denn "das reine Melos verträgt keine starken Betonungen". Vergeistigte, von jeglichem Ornament befreite Musik hat sich von körperlich-sinnlichen Ursprüngen befreit. Igor Strawinsky (1882-1971) gehört jener zwischen 1880 und 1890 geborenen faszinierenden Generation an, welche die Musik des 20. Jahrhunderts buchstäblich umgekrempelt hat. (Zum Vergleich: in dieses Dezennium fallen die Komponisten Webern, Berg, Varèse und Bartók – Schönberg und Ives sind Vorläufer – , aber auch die bedeutendsten Maler und Literaten.) Strawinsky leistete einen Impulse gebenden Beitrag zur Emanzipation des Rhythmus.Man denke nur an die nach wie vor umstürzlerisch wirkende Einmaligkeit von "Le sacre du printemps" (1913), eine Ballettmusik, die durch ihn auch in anderen Fällen und als Vorbild für andere Komponisten in die Regionen der autonomen Musik aufstieg. Gleichgültig, welcher Technik, welcher stilistischen Kriterien er sich bediente: immer bleiben Handschrift, Personalstil unverkennbar Strawinsky, sei es im Kleid des Impressionismus, des rhythmischen Furor, des geglätteten, objektivierten Neoklassizimus, schließlich in jenem dodekaphonischer oder serieller Strukturen. Nicht wenige seiner Werke siedeln im schillernden Terrain der Allusion. Es ist ein Spiel mit dem "Als ob": da klingt etwas wie russische Volksmusik, wie Pergolesi, wie Tschaikowski, wie ein Stück der Frührenaissance, aber nichts von all dem ist zitiert, und durch alles hindurch klingt Strawinsky. Apollon Musagète ist eine Ballettmusik. Apollo, Sohn des Zeus und der Leto, ist Herr der Musen, die ihm huldigen (Kalliope, Polyhymnia, Terpsichore). Für Strawinsky hat Terpsichore Vorrang. Sie "vereint den Rhythmus der Dichtkunst mit der Beredsamkeit der Geste, sie offenbart die Welt des Tanzes". Das Ballett hat kaum eine Handlung (ein "ballet blanc") und ist eher eine Verbeugung vor der Verskunst, vor allem der klassischen französischen Dichtung. Folgerichtig hat auch die Musik eine eigene Färbung im Umfeld des Neoklassizismus. Strawinsky bedient sich einer diatonischen Schreibweise, stellt das melodische Prinzip in den Mittelpunkt und findet zu Wendungen "also ob" sie von Lully seien – eine Verneigung vor dem französischen 17. Jahrhundert. L. K Mitveranstalter: röm.-kath. Pfarre Neuberg an der Mürz Greißlerei beim Münster Traude Holzer Kartenpreise: 19€ | 9€