In praktisch allen Theorien oder Diskursen, an denen sich die Geisteswissenschaften orientieren oder bedienen – Dialektik, Phänomenologie, (Post-)Strukturalismus, Systemtheorie, Psychoanalyse – spielen Formen von Negation eine hervorragende Rolle. Den einen gilt die Negation als systembildende Kraft oder sinnstiftendes Prinzip, andere betonen ein Moment von ‚Durchstreichung‘ oder Distanzierung, wieder andere vermuten sie am Eingang der ‚symbolischen Ordnung‘. Meist wird sie für eine unverzichtbare Denkoperation gehalten, manchmal aber auch verdächtigt, für eine gewisse Einfriedung oder Lähmung des Denkens verantwortlich zu sein, was dann eine Suche nach möglichen Alternativen nahelegt. Auf der Tagung sollen einige markante Formen und Einschätzungen von Negation zur Sprache kommen und aus logischer, ästhetischer, bildtheoretischer, kunsthistorischer, literaturwissenschaftlicher (etwa: metapherntheoretischer) und auch poetologischer Perspektive beleuchtet werden. Der Titel \"Negationsformen\" deutet nicht nur auf Binnendifferenzierungen im Begriff der Negation selber, sondern auch auf einen Zusammenhang mit dem Begriff der Form sowie mit Verfahrungsweisen der Kunst hin. Unter Umständen liegt es zum Beispiel nahe, sich das Verhältnis zweier Sätze, von denen der eine den anderen negiert, analog demjenigen von Figur und Grund oder Eingrenzung und Ausgrenzung zu denken. Das Negieren selbst (also die als Operation verstandene Negation) erscheint dann als Verkehrung des Verhältnisses von Figur und Grund oder als Überquerung einer (klassifikatorischen) Grenzlinie. Auf der anderen Seite kann, wie schon Freud angedeutet hat, jede Form von Umstülpung oder Verkehrung ins Gegenteil, so konkret sie erscheinen mag, als negationsanaloge Transformation gedeutet werden. In der Literatur wiederum können Negation und Widersprüchlichkeit Ausdruck von Distanzierung (John Keats: negative capability) und von Möglichkeitssinn (Robert Musil) sein. So wird es Mürzzuschlag letztlich darum gehen, die Negation da zu beobachten, wo sie heute eher selten gesucht wird: im Spannungsfeld von Ästhetik, Logik und Ontologie. Dies geschieht just in dem Augenblick, da die Kulturwissenschaften sich zur empirischen Psychologie hingezogen fühlen und eine Tendenz erkennen lassen, die oben erwähnten theoretischen Paradigmen und somit auch jegliches Interesse an Negationsformen ad acta zu legen. Mit: Franz Josef Czernin, Aage Hansen-Löve, Richard Heinrich, Catharina Kahane, Markus Klammer, Wolfram Pichler, Esther Ramharter, Viola Schmitt 1.4., 10-13 uhr Viola Schmitt: Negation in natürlichen Sprachen und Homogeneität Esther Ramharter: Doppelte Verneinung 1.4., 15-18 uhr Richard Heinrich: Kant, (früher) Wittgenstein und die Unsterblichkeit der Götter Aage A. Hansen-Löve: NEIN MAL NEIN IST – NICHTS. ÄSTHETISCHE NULLSUMMENSPIELE 2.4., 10-13 uhr Wolfram Pichler: Sind Bilder ohne Negation zu haben? 2.4., 15-18 uhr Franz Josef Czernin: Gegensätze, Widersprüche und oblique Vermittlungen [b]freier Eintritt[/b]