kabarett.muerz / Thomas Maurer : Menschenfreund

Thomas Maurer: Menschenfreund Tausende geschliffene Pointen gegen die Mächtigen, hunderte eigenhändig signierte Unterschriftenlisten, Unmengen von Benefizauftritten für unterschiedlichste gute Zwecke, wohltätige Weinversteigerungen sonder Zahl sowie mehrere hundert Liter persönlich zugunsten von Ute Bocks Flüchtlingshilfeprojekt konsumiertes Bier: Thomas Maurers Gutmenschen-Bilanz ist ohne Frage eindrucksvoll. Wer wollte es ihm da verdenken, dass er allmählich eine gewisse Sehnsucht nach Entschleunigung, Abgeklärtheit und einem eigenen Garagenplatz im Haus hat? Weil, natürlich, die Freiräume im Kopf sind am wichtigsten. Aber eine geräumige Wohnung hat schon auch was. Wo soll da bitte das Problem sein? Regie: Petra Dobetsberger Musik: Wolfgang Tockner Kostüm: Lilo Almog Premierenkritik: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit … Thomas Maurer war gewiss nicht der erste Kabarettist, der seine beruflichen Erfolge gerne in teure Weine und edle Zigarren umgemünzt hat, aber er war unter den inzwischen nicht mehr ganz so jungen Kabarettisten der erste, der das freimütig und justament in aller Öffentlichkeit tat. Und das auch schon im Frühstadium seiner kabarettistischen Karriere. Besonders gerne und mit einer fast schon diebischen Freude auf den eigenen Premierenfeiern, nachdem er sich kurz zuvor noch als gnadenloser Systemkritiker hatte feiern lassen. Zur Belohnung eine Virginia und einen Rotwein, die zusammen auch mal mehr kosten dürfen, als eine durchschnittliche Monatsmiete. Man gönnt sich ja sonst nichts. Oder zumindest nur viel zu selten. Was von außen wie ein gewagter Spagat anmutet, hat Thomas Maurer nie Spannungen im Schritt bereitet. Inzwischen schreibt er tagsüber Kolumnen in Hochglanz-Magazinen für Hedonisten der gehobensten Einkommensklasse – und spielt abends auf Benefiz-Veranstaltungen für Obdachlosenheime. Eine ziemliche Bandbreite. Einerseits \"gut sein\" und es andererseits \"gut haben\" – dass sich das in einer Person nicht immer ausgeht, hat uns u.a. schon Brechts guter Mensch von Sezuan vorexerziert. Maurer indes macht sein Lifestyle in Wahrheit wahrscheinlich kein größeres Kopfzerbrechen. Aber die eigene Biografie dient ihm – wie manch anderen Kabarettisten vor ihm auch schon – als idealer Ansatzpunkt für die vermeintlich reflexive Analyse eines Spannungsfeldes. In Thomas Maurers 11. Soloprogramm \"Menschenfreund\" (Regie Petra Dobetsberger) konzentriert sich das Aufbegehren seiner gleichnamigen Bühnenfigur auf die Funktionstüchtigkeit ihrer Espressomaschine. Ihre unvermeidliche Gutmensch-Attitüde geht ihr spätestens beim regelmäßigen Erwerb des \"Augustin\" auf die Nerven. \"Wie fühlt sich das wohl an – viel zu verkaufen von einem Druckwerk, das keiner liest? Sollt man mal die Jelinek fragen …\" Wenn sie sich selbst beim Argumentieren gegen Kapitalismus und Globalisierung zuhören muss, beschleicht sie sofort die Panik vor penetrantem Mundgeruch. Und ihre revolutionäre Gesinnung äußert sich höchstens noch in den stellenweise mutigen Renovierungsplänen für die frisch erworbene, biedermeierliche Immobilie. Fazit: So ganz kann sie sich in Anbetracht des persönlichen, real existierenden Materialismus den alternativen Sponti nicht mehr abnehmen: \"Ein eigenes Haus ist schon ein bisschen sehr extrem nicht-links. Da könnten wir eigentlich gleich heiraten.\" Mit vielen gesellschaftspolitischen Gegebenheiten und gutbürgerlichen Symptomen, die ihm einst ein Dorn im Auge waren, hat sich dieser Vorzeige-Linke arrangiert. Oder zumindest abgefunden. \"Wir werden es nicht ändern\", konstatiert er des Öfteren. Und das mit kaum spürbarer Resignation. Thomas Maurer bei der Darlegung und Aufarbeitung der humoristisch zugespitzten eigenen Zwiespälte und Zwickmühlen zuzuhören, ist nicht ganz so spektakulär, wie bei der Entlarvung eines typischen FPÖ-Funktionärs, wie in seinem \"Nestroy\"-gekrönten letzten Solo-Stück \"Die neue Selbständigkeit\". Die Sitten und Gebräuche eines fremden Volks haben halt immer eine faszinierendere Ausstrahlung, als jene des eigenen Kulturkreises. Inwieweit die Bühnengestalt \"Thomas Maurer\" nun von dem leibhaftigen Kabarettisten abweicht, ist nebensächlich. Es geht schließlich um die grundsätzliche Geisteshaltung und nicht darum, ob seine Lebensgefährtin die neue Küche wirklich im authentischen 80-Jahre-Look eingerichtet hat. Maurer präsentiert uns eine Figur, die wieder das wohl klassischste aller Kabarett-Prinzipien bedient: ein mit publikumswirksamen Identifikationspunkten dicht gespicktes Spiegelbild. Wobei sich der Konflikt zwischen Geld und Gesinnung weniger als aktuelle Zeitkritik, denn als Alterserscheinung entpuppt. Schließlich ist es den 68-ern seinerzeit nicht viel anders ergangen, wie uns Maurer im Stück anhand der Eltern seiner Lebensgefährtin Iris vor Augen führt: Mit Aktien für alternative Energie-Technologien zu Wohlstand gekommene Gründungs-Grüne, die es sich in ihrer gut situierten Spittelberg-Gemütlichkeit bequem gemacht haben. Ein in gewohnter Weise geistreicher Monolog war Thomas Maurer zur Verdeutlichung seines Protagonisten diesmal ganz offensichtlich zu wenig. Inspiriert von der Projektions-Technik des im Februar aufgeführten \"Kameramörders\" lässt er sich in der zweiten Hälfte von einer direkt einem biedermeierlichen Zaubermärchen entsprungenen Fee der Zufriedenheit in verschiedene Szenerien beamen: in Umgebungen und Zustände, die ihn davon überzeugen sollen, dass er vergleichsweise keinen Grund zur Klage hat. Kein leichtes Unterfangen. Denn erstens fürchtet ein rationaler, kritischer Geist die Zufriedenheit, wie der Teufel das Weihwasser. Und zweitens lässt sich ein abgebrühter Maurer nicht so leicht schockieren. Dass in anderen Ländern Hunger und Terror herrschen, ist für ihn kein emotionales Kriterium. Demut in Anbetracht seiner gesicherten Existenz vermögen derartig gängige Allerwelts-Horror-Szenarien schon lange nicht mehr auszulösen. Da bedarf es schon gröberer Kaliber. Erst eine ganz persönliche Schreckens-Vision veranlasst ihn schlussendlich dazu, mit der Zufriedenheit zumindest einen Kompromiss zu schließen. Und sogar, kurz Dankbarkeit aufflackern zu lassen. Da ist Thomas Maurer dann wieder ganz im Einklang mit seiner Figur. Peter Blau

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Mi / 16.05.2007