Das Wort ‚Wir’ existierte im Sprachgebrauch von Günther Domenig nicht.
Der von Günther Domenig gegenüber der Öffentlichkeit inszenierten Figur eines kompromisslosen, geradezu besessenen Einzelkämpfers, der die Architekturgeschichte hinter sich lässt, seine Ideen ganz allein aus sich selbst, aus eigener Kraft und allen Widrigkeiten zum Trotz gegen eine Vielzahl an Widerständen durchzusetzen imstande war, soll in dieser Ausstellung eine andere Erzählung entgegengesetzt werden.
Der Künstlerarchitekt war keineswegs alleine und isoliert. Günther Domenig waren viele: über seine offiziellen Büropartner Eilfried Huth, Hermann Eisenköck und Gerhard Wallner hinaus konnte er auf ein breites Netzwerk aus Unterstützer*innen (Beamt*innen, Bauherr*innen, Baumeister*innen, Sammler*innen), Kommunikator*innen (Kritiker*innen, Autor*innen, Kurator*innen), hervorragenden Bauunternehmer*innen und – vor allem – Mitarbeiter*innen setzen: in der Arbeit in den Architektur-Büros ebenso wie an der TU Graz.
Diese Ausstellung bietet eine fragmentarische Biographie und Werkgenese, die indirekt über die Erfahrungen und Erzählungen jener rekonstruiert wird, die zur Umsetzung der Projekte maßgeblich beigetragen haben, die von Günther Domenigs Arbeit inspiriert worden sind, sich aber auch von ihm abgewandt haben oder von ihm verstoßen wurden.
Günther Domenigs herausragendes Talent komplexe skulpturale Architekturen zu erfinden, seine Obsession zur totalen Raumbeherrschung, seine Kampfkraft diese Ideen durchzusetzen – Kollateralschäden inklusive – soll hier nicht in Frage gestellt werden.
Die Ausstellung zeigt Ereignisse und Begegnungen, die das sich wandelnde Werk beeinflusst haben, wie und mit wessen Unterstützung die einzelnen Projekte – im Sinne eines Making Of – zustande kamen und umgesetzt wurden. Während Günther Domenig gegenüber einer breiten Öffentlichkeit (bei Eröffnungen, in TV-Beiträgen und Publikationen) den rüpelhaften genialischen Rebellen zu Schau trug, der Einflüsse dritter als Infragestellung seiner genialischen Potenz zurückgewiesen hätte, zeigte er in seinen Vorlesungen im geschützten Raum der Universität ein breites visuelles Panorama an architektonischen und künstlerischen Positionen – aus der Geschichte und Gegenwart – sowie einen hohen Grad an Informiertheit und Reflexionsfähigkeit. Hier scheute er sich nicht, Inspirationen durch andere und die Beiträge seiner Mitarbeiter*innen konkret zu benennen.
Michael Zinganel, Kurator
Foto: „Ein verzweifelter Versuch noch zu Lebzeiten dem Denken Günther Domenigs auf die Spur zu kommen. Kunst am Bau Projekt von Dietmar Tanterl für das LKH Bruck an der Mur, 1992.“
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag: 10 – 18 Uhr, Sonntag: 10 – 16 Uhr
Dauer der Ausstellung: 23.10.2022 – 12.02.2023
© Günther Domenig und Eilfried Huth, Wettbewerb Universität Wien, 1973
Architekturzentrum Wien, Sammlung
© Der Rebell Günther Domenig erklärt Alois Mock den Entwurf für die Kirche und Gemeindezentrum Oberwart 1969
Architekturzentrum Wien, Sammlung
© Wettbewerb Erweiterung der TU Graz 1983
Architekturzentrum Wien, Sammlung
© Plakat zur zweiten Gastvortragsreihe mit Domenig als letztem Gast am eigenen Institut 1981/82
Architekturzentrum Wien, Sammlung
Idee: Wolfdieter Dreibholz
Ausstellungsarchitektur: Tracing Spaces
Texte: Michael Zinganel
Lektorat: Brigitte Ott
Grafik: seite zwei
Fotograf*innen:
Paul Ott, Laszlo Pap, David Schreyer, Margherita Spiluttini, Helmut Tezak, Gerald Zugmann Fotografie u. a.
Videos:
Büro Domenig Wallner, Christian Fröhlich, Museen der Stadt Nürnberg und Reiner Holzemer Film, ORF TVthek
Modellbau Stadt Ragnitz:
Peter Kaschnig
Leihgeber*innen:
Architektur Consult ZT GmbH., Architekturzentrum Wien, Alfred Bramberger, Collection FRAC Centre-Val de Loire, Matthias Castorph, Institut für Entwerfen im Bestand und Denkmalpflege, TU Graz, Bernhard Copony, Domenig Dimensional, Hermann Eisenköck, Eva Frank, Hans Gangoly, Horst Gerhard Haberl, Institut für Gebäudelehre, TU Graz, Christian Halm, Eilfried Huth, Andreas Lechner, Herbert Liska, Sammlung Liaunig, Universitätsbibliothek der TU Graz, MAK – Museum für angewandte Kunst, Museum Moderner Kunst Kärnten, Linda Pelzmann, Andreas Pulides, Steinhaus Günther Domenig Privatstiftung, Gerhard Wallner, Karin Wintscher-Zinganel, Michael Zinganel